Dieser Artikel stammt aus P&S (Ausgabe 2019_4) – dem Magazin für Psychotherapie und Seelsorge. Viermal im Jahr widmet sich P&S einem neuen Themenschwerpunkt.
Bin ich auf der sicheren Seite? Das Wichtigste zu Verschwiegenheit und Datenschutz
Ein Rechtsanwalt fasst zusammen, was jeder wissen sollte, der in Seelsorge und Therapie tätig ist und mit Ratsuchenden online kommuniziert.
Von Christian Schürmann
Aus rechtlicher Sicht gilt wie im Vier-Augen-Gespräch auch bei Onlineangeboten selbstverständlich das Gebot der Verschwiegenheit.
Die Vertrauensbeziehung in Beratungssituationen wird durch verschiedene Gesetze geschützt:
Im Strafrecht ist es die Vorschrift des § 203 Strafgesetzbuch, wonach dem Berater bei unbefugter Offenbarung von Geheimnissen eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr droht.
Es gibt weiter den § 8 Abs. 1 der Musterberufsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer, wonach Psychotherapeuten zur Verschwiegenheit verpflichtet sind über Behandlungsverhältnisse und über das, was ihnen im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit durch und über Patienten und Dritte anvertraut und bekannt geworden ist. Ein Verstoß kann haftungsrechtlich belangt werden und ein berufsrechtliches Verfahren vor der zuständigen Landespsychotherapeutenkammer nach sich ziehen.
Als Seelsorger ist das Seelsorgegeheimnis zu wahren, das sich aus § 2 Abs. 4 Seelsorgegeheimnisgesetz und anderen Vorschriften ergibt. Auch hier können Verstöße empfindliche Folgen haben. Das gilt gleichfalls für Ehrenamtliche.
Bislang war jedem Berater (der Begriff umfasst hier ebenso Therapeuten und Seelsorger) klar, dass das gesprochene Wort „nicht den Raum verlässt“, also er nicht mit Dritten unbefugt über den Inhalt der Gespräche sprechen darf. Das ändert sich grundlegend mit den Onlineangeboten, denn nun geht es nicht mehr nur darum, ein aktives Weitertragen des Gehörten zu unterlassen, sondern auch zu verhindern, dass Dritte ungewollt Kenntnis von den Inhalten erlangen, die kommuniziert werden. Die Verschwiegenheitsverpflichtung verlagert sich also mehr in den technischen Bereich; die Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit sind hier sehr hoch.
Bei anonymer Beratung, wie sie etwa von der Telefonseelsorge angeboten wird, muss ein enormer technischer Aufwand betrieben werden, um sämtliche Datenspuren vollständig zu verwischen, die ein Anrufer oder eine Mail hinterlässt, damit der Anrufer bzw. Absender nicht identifiziert werden kann. Bei Beratung von Personen mit bekannter Identität ist zunächst der Datentransfer, also die eigentliche Kommunikation im Fokus.
Bei normalen E-Mails ebenso wie bei SMS-Nachrichten gibt es quasi keinen Datenschutz, sodass diese Kommunikation für eine Beratung grundsätzlich ausscheidet. Man kann hier allenfalls unter Hinweis auf die Risiken, dass Dritte von der Kommunikation Kenntnis erlangen können, das ausdrückliche Einverständnis des Ratsuchenden einholen, dass er diese Art der Kommunikation wünscht und mit ihr einverstanden ist.
Eine Kommunikation per E-Mail unter Verwendung einer Verschlüsselungssoftware wäre zwar möglich, hat sich aber in der Praxis als wenig praktikabel herausgestellt. „DE-Mail“ ist da schon deutlich besser, aber auch nicht absolut sicher.
Whatsapp hat zwar seit 2016 den Kommunikationsweg geschützt, aber die Endgeräte, auf denen die Dateien entschlüsselt werden, bieten Einfallstore, und der Whatsapp-Mutterkonzern Facebook hat natürlich ein hohes kommerzielles Interesse, Kontakte und Kommunikationsverhalten auszuwerten. Auch hier sollte daher unbedingt eine entsprechende Einwilligung des Ratsuchenden eingeholt werden.
Damit kommt der kritischste Bereich in den Fokus: der Rechner oder das Netzwerk des Beraters. Dort sind meistens die persönlichen Daten des Ratsuchenden, die Korrespondenz mit ihm und oft auch Notizen des Beraters abgespeichert. Der Berater muss daher alles unternehmen, was möglich ist, um den Zugriff von Dritten auf den Rechner zu unterbinden.
Die damit verbundenen Risiken sind nicht zu unterschätzen. Niemand möchte morgens in der Zeitung lesen, dass ein Vorstandsvorsitzender, den man berät, aufgrund des Bekanntwerdens von Depressionen oder bestimmten sexuellen Präferenzen zurücktreten musste, und das nur, weil der eigene Computer gehackt und die Daten an die Zeitung verkauft wurden. Neben den strafrechtlichen Konsequenzen würde wahrscheinlich das Haftungsrisiko den Deckungsrahmen der Berufshaftpflichtversicherung weit übersteigen und so den finanziellen Ruin bedeuten.
Wer Onlineberatung anbietet, muss also den Kommunikationsweg absichern oder sich entsprechende Zustimmungen einholen, und er muss unbedingt den eigenen IT-Bereich bestmöglich gegen Zugriffe von außen sichern, um so der Verschwiegenheitsverpflichtung Genüge zu tun. Sonst drohen erhebliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen.
Rechtsanwalt Christian Schürmann, geboren 1965, arbeitet bundesweit in den Bereichen Erbrecht und Sexualstrafrecht und ist nebenberuflich als Seelsorger tätig. www.ra-schuermann.eu