Dieser Artikel stammt aus P&S (Ausgabe 2025_2) – dem Magazin für Psychotherapie und Seelsorge. Viermal im Jahr widmet sich P&S einem neuen Themenschwerpunkt.
Vertraue in deine Methode!
Jörg Berger hat eine Botschaft für sein jüngeres Therapeuten-Ich: Kreativität und Intuition sind sicher wichtig, doch an dem festzuhalten, was du gelernt hast, nimmt viel Last von den Schultern.
Von Jörg Berger
Mein jüngeres Ich war überfordert und begeistert. Es übergab sich zwischen Gesprächen auf dem Klo, ging abends mit dröhnendem Kopfschmerz spazieren und war glücklich. Die Menschen sind jeden Einsatz wert, empfand es, und die Faszination der Therapie wiegt jede Entbehrung auf. Mein heutiges Ich hat die Faszination und Leidenschaft nicht verloren. Ich bin nur weniger opferbereit. Mein älterer Körper würde das auch nicht mehr mitmachen. Ich weiß jetzt auch, wie man es sich leichter machen kann. Von dem vielen, was ich meinem jüngeren Ich gerne sagen würde, wäre mein wichtigster Rat: „Vertraue in deine Methode.“
In meiner Ausbildung habe ich oft gelesen und gehört: „Halte nicht zu starr an Therapiemethoden fest. Das entlarvt dich als Anfänger. Gute Therapeuten geben Patienten das Gefühl, mit ihren Anliegen im Mittelpunkt zu stehen.“ Aber was bleibt, wenn man sich nicht an sein Handwerk halten darf, das man erlernt hat? Eine Intuition und Kreativität aus dem Augenblick? Dem Patienten auf allerlei Um- und Abwegen folgen, um ihn dann wieder unauffällig auf den Pfad eines sinnvollen Therapieplans zu lenken? Das überfordert. „Bleibe bei deiner Methode“, wäre daher mein Rat. Doch ich höre mein jüngeres Ich einwenden: „Du weißt doch, dass manche Patienten mit Therapiemethoden fremdeln. Sie sträuben sich. Sie lenken ab. Sie hinterfragen das Vorgehen oder sagen, sie können nicht.“
Therapeutische Beziehung und Methode
„Ja, das stimmt“, würde ich antworten. „Gleichzeitig lassen sich die meisten trotzdem ein, wenn du freundlich und überzeugt dabei bleibst. Du darfst vor dem Scheitern nicht mehr Angst haben als deine Patientin. Vielleicht sucht jemand etwas anderes als eine Psychotherapie. Dann ist es gut, wenn sich das früh klärt. Oder jemand möchte zwar Therapieziele erreichen, aber nicht die Gefühle erleben, die eine verändernde Auseinandersetzung hervorruft. Das ist verständlich und zu respektieren. Aber versuche nicht, ein Therapieziel auf geheimnisvolle Weise zu erreichen, ohne dass jemand den Schmerz, die Scham, die Angst oder andere schreckliche Gefühle durchleben muss. Du kannst ein Experiment, eine Probephase von einigen Sitzungen anbieten, mit Methode natürlich. Danach kannst du mit dem Patienten auswerten, wie hoch der Preis ist und ob es sich lohnt. Du kannst auch etwas anderes anbieten als Psychotherapie, eine Beratung zum Beispiel oder eine Krisenintervention mit wenigen Sitzungen. Aber dann muss klar sein, dass die Begleitung begrenzt ist und dass Ziele, die eine Psychotherapie erfordern, erst mal nicht erreichbar sind.“
„Das klingt entlastend“, hätte mein jüngeres Ich wohl geantwortet. „Aber was ist dann mit dem Befund der Psychotherapieforschung, dass die therapeutische Beziehung so zentral für den Therapieerfolg ist?“
„Ist sie“, wäre meine Antwort. „Aber man kann sie nicht von der Therapiemethode lösen. Nette und emphatische Therapeuten können Patienten leichter dafür gewinnen, sich auf eine Therapie einzulassen und sich dabei sicher zu fühlen. Jede Therapiemethode hat auch im Blick, wie die Therapiebeziehung heilsam wirkt. Umgekehrt kann sich die Beziehung rapide verschlechtern, wenn sie allein die Quelle von Heilung und Veränderung sein soll. Das enttäuscht und führt zu Verwicklungen.“
Unendliche Entlastung
Mein jüngeres Ich wirkt zufrieden, sodass ich ergänze:
„Letztlich bedeutet die Methode eine unendliche Entlastung für dich. Du stellst eine gute Beziehung, einen heilsamen Raum und bewährte Vorgehensweisen zur Verfügung. Dann kannst du dich entspannen und staunen, was geschieht. Es kommt dann weniger auf dein Wissen und deine Kunstfertigkeit an. Es sind das Wissen und die Kunst von Therapeutengenerationen, die sich in deiner Methode niedergeschlagen haben. Klingt das nicht nach langer Freude im Beruf?“
Jörg Berger ist Psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis. Er schreibt Ratgeber zu Therapiethemen, vor allem für Christen (Homepage)
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